Sehr geehrte Damen und Herren Amtsträger bei DFB und 1. FC Köln,
ich schreibe Ihnen heute, weil ich äußerst frustriert und wütend bin. Weil ich Mitglied des 1. Fußball-Club Köln 01/07 e.V. und zudem auch noch Dauerkarteninhaber für den Block S4 im Müngersdorfer Stadion bin. Damit sollte Ihnen allen klar sein, welches Thema mich im Moment bewegt. Aber zur Sicherheit hänge ich eine kurze Chronologie der Ereignisse im nächsten Absatz an.
Beim Spiel des 1. FC Köln in Mönchengladbach kommt es im Gästeblock zum massiven Einsatz von Pyrotechnik. Das Spiel muss unterbrochen werden. Nach dem Spiel stürmen ca. 30 Personen den Platz. Mit dem Erscheinen der Polizei kehren diese wieder in den Gästeblock zurück. Zwei Personen werden in Gewahrsam genommen, wovon eine Person als Mitglied der Boyz Köln identifiziert wird. Infolgedessen entzieht der 1. FC Köln diesen den Fanclubstatus, die Dauerkarten und prüft Vereinsausschlüsse. Des Weiteren werden über 40 Stadionverbote verhängt, von denen inzwischen 6 wieder aufgehoben wurden. Aufgrund dieser Maßnahmen entscheiden sich die Ultras und weitere Gruppen zum Boykott der Spiele. Knapp einen Monat nach dem Spiel in Mönchengladbach fällt der DFB sein Urteil. Der 1. FC Köln muss 200.000 Euro zahlen, für drei Spiele die Blöcke S3 und S4 schließen und weitere Maßnahmen durchführen.Ich werde im folgenden Text vielleicht mal abschweifen oder etwas zu spekulativ. Aber keine Sorge, ich werde auch konkret und eindeutig meine Meinung zum Thema darstellen: dem Urteil des DFB und seine Folgen. Ich habe Ursache und Wirkung des Ganzen nicht vergessen. Ich höre die Stimmen, die sagen, dass ich mich bei den Chaoten bedanken soll. Nur hilft mir das jetzt auch nicht weiter. Natürlich weiss man, auch die entsprechenden Personen müssten wissen, dass DFB und 1. FC Köln stets auch Unschuldige bestrafen. Aber genau darum geht es mir im Moment: Als der DFB das Urteil aussprach und der 1. FC Köln dieses akzeptierte, haben Sie sich ganz bewusst(!) dazu entschieden, Unschuldige zu bestrafen. Ich bin kein Ultra und war dieses Jahr nicht in Mönchengladbach. Doch selbst wenn beides auf mich zutreffen würde, wäre das noch lange keine Legitimation, mich zu bestrafen. Klar, der Anlass für meinen Brief ist, dass ich persönlich von der Strafe direkt betroffen bin. Aber meine Meinung wäre nicht anders, wenn ich eine (Dauer)Karte für den Block S1, S12 oder N13 hätte.
Den ganzen Komplex der intransparenten und willkürlichen DFB Sportgerichtsbarkeit kann und möchte ich auch gar nicht detailliert betrachten. Damit beschäftigen sich andere Leute intensiver. Ich möchte hier vor allem auf die Widersprüchlichkeit und Sinnlosigkeit des aktuellen Urteils eingehen. Da muss der 1. FC Köln unter anderem 200.000 Euro für das Fehlverhalten seiner Fans bezahlen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass dieses Geld einem guten Zweck zukommen soll. Aber das macht das Urteil kein Stück besser. Der Verein kann keinesfalls alle Fans, nicht mal die in einem Block, absolut unter Kontrolle haben. Es ist schlicht unmöglich. Auch wenn er 500 zusätzliche Ordner bei Auswärtsfahrten einsetzt. Trotzdem soll er für das Fehlverhalten aufkommen. Der Punkt der Regressforderungen, sprich der Weitergabe der Geldstrafe an die ermittelten Täter, ist auch nicht so simpel und rechtlich wasserdicht. Dementsprechend wird der Verein dieses Geld höchstwahrscheinlich niemals wiedersehen.
Nichts desto weniger bestraft der DFB den 1. FC Köln, dessen Fanarbeit er zuvor noch als positiv und vorbildlich beschrieben hatte. Ist das nicht schizophren? Selbstverständlich hat der DFB diese Bemühungen seitens des Vereins in seinem Urteil berücksichtigt. Sonst wäre die Strafe am Ende noch viel härter ausgefallen, hätten noch drastischere Maßnahmen im Raum gestanden. So zeigt sich der 1. FC Köln sogar demütig und dankbar für diesen „glimpflichen“ Ausgang des Vorgangs. Manche FC-Fans geben ähnliche Statements ab. Ich soll also dankbar dafür sein, dass die Strafe nicht noch höher ausgefallen ist, nicht noch mehr Unschuldige bestraft wurden? Da kann ich mir nur an den Kopf fassen.
Zentrale Bestrafung der Fans ist der Teilausschluss durch Sperrung der Blöcke S3 und S4 für die Spiele gegen Hoffenheim, Leverkusen und Schalke. In den beiden Blöcken finden 2800 Personen Platz, 2500 davon sind durch Dauerkarten belegt. Diese Zahl wird einfach so für drei Spiele aus dem Stadion geworfen. Immerhin bietet der 1. FC Köln den Ticketinhabern dieser Blöcke die Möglichkeit, an einem gesonderten Termin Sitzplatzkarten zu erwerben. Aber nicht jeder hat die Möglichkeit, mal eben für drei Spiele das Dreifache oder sogar noch mehr für den Zutritt ins Müngersdorfer Stadion zu bezahlen. Außerdem könnten sich so auch die „bösen“ Ultras wieder mit Karten versorgen. Denn die sind vermutlich das Ziel der ausgesprochenen Sanktionen. Schließlich befinden sich dort die Standorte der entsprechenden Gruppen. Denen soll ein Denkzettel verpasst werden. Ich weiss nicht, wie viele Ultras in diesem Bereich stehen. Sagen wir einfach mal 800, wobei ich persönlich von weniger ausgehe. Aber bleiben wir bei dieser Anzahl von Personen, an die die Strafe gerichtet ist. Dabei möchte ich an dieser Stelle betonen, dass ich auch die pauschale Verurteilung und Bestrafung der Ultras als falsch bewerte. Die Boyz Köln trifft die Strafe schon mal nicht, weil sie sowieso durch lokale Stadionverbote vom Spielbesuch ausgeschlossen sind. Des Weiteren sollte auch dem DFB bekannt sein, was der 1. FC Köln mit Sicherheit weiss: Die Ultras befinden sich momentan im Boykott. Sie bleiben teilweise dem Stadion fern. Die Ultras, die trotzdem ins Stadion gehen, halten sich komplett zurück. Klar, dieser Boykott hätte vor den entsprechenden Spielen beendet werden können. Doch davon konnte kaum ausgegangen werden. Die „Zielgruppe“ trifft die Strafe also kaum. Dafür umso härter die 2000 absolut Unschuldigen, die sonst im Herzen der Südkurve stehen würden. Die Leute, denen DFB und 1. FC Köln gar nichts vorwerfen können. Ganz abgesehen davon, dass Teilausschlüsse oder gar Geisterspiele eigentlich wirkungslos verpuffen. Oder sind Fans von Vereinen, die entsprechende Strafen erhalten haben, im Anschluss weniger aufgefallen?
Hinzu kommt auch noch, dass dieser Teil der Sanktionen Einfluss auf die Geschehen im Müngersdorfer Stadion nimmt. Dabei ereigneten sich alle behandelten Vorfälle bei Auswärtsspielen. Das gilt auch für die sinnlosen baulichen Maßnahmen, die der 1. FC Köln nun durchführen lassen muss. Nach dem Spiel gegen Bayern München im Mai 2012 hätte ich noch einen Zusammenhang erkennen können. Nun bleibt er mir aber gänzlich verschlossen. Interessant wäre jedoch zu wissen, ob und wie der 1. FC Köln an der genauen Ausgestaltung der Sanktionen beteiligt war. Ich erwarte keine Antwort darauf aber die Vermutung liegt für mich nahe, dass er es war.
Die Maßnahmen für die Auswärtsspiele sind ebenfalls als Schwachsinn zu bezeichnen. Ich verweise da zunächst nochmal auf den Boykott der Ultras. Die Ultras, die ins Stadion gehen, bringen fast kein Material mit. Somit werden auch hier in erster Linie unschuldige Fans getroffen, die auf Auswärtsfahrten ihre Schwenk- bzw. Zaunfahne mitnehmen. Außerdem verhindern Materialverbote nicht das Abbrennen von Pyrotechnik. Ich könnte Ihnen jetzt Bilder von entsprechenden Spielen heraussuchen, aber die können Sie selbst ganz schnell im Internet finden. Auch personalisierte Eintrittskarten führen nicht zu mehr Sicherheit in den Stadien, die bestimmt schon zu den sichersten der Welt gehören. Damit wird lediglich ein gewaltiger Aufwand für alle Beteiligten geschaffen. Oder hätten Sie nach dem Spiel in Mönchengladbach alle unvermummten Personen identifiziert um die Vermummten zu bestrafen?
Es könnten bestimmt noch etliche Seiten zu diesem Urteil gefüllt werden. Ich belasse es an dieser Stelle dabei und schließe mit einem knappen Fazit: Es werden massenhaft Unschuldige bestraft, ohne dabei wirklich einen Effekt zu erzielen. Herzlichen Glückwunsch.
(sd)